Frank Fiess

Deutschlandfunk Kultur

Frank, John, Björn und die Männer

Beitrag im Deutschlandfunk Kultur –  im Gespräch mit Matthias Finger

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Das starke Geschlecht steckt angeblich seit Jahren in der Sinnkrise. Der Markt für Männlichkeitstrainings ist also groß. Mal geht es um die Suche nach dem „Alphamann“ oder dem „maskulinen Lebensgefühl“ – oder gleich um ein völlig neues Rollenbild.

Mandy Schielke: Matthias, hattest du schon eigentlich schon vor unserem Auftrag jemals daran gedacht ein Männer- oder Männlichkeitstraining zu machen?

Matthias Finger: Nein. Eigentlich dachte ich, mein Leben wäre in Ordnung. Aber weit gefehlt. Es gibt einiges zu tun. Im Netz gibt es Angebote die nahelegen, dass ich Defizite haben könnte. Geworben wird da so:

„Der neue Mann: Männlichkeit Leben. – Männlicher werden: Klare Tipps wie Du männlicher wirst. – Männertraining 2019: Ein anderes Mann-Sein ist möglich.“

Schielke: Den Männern soll also kollektiv bei der Suche nach dem richtigen Platz im Leben geholfen werden. Stimmt das?

Finger: Typische Probleme sind keine Freundin oder kein Sex. Beispielsweise: Der Mann ist einfühlsam, aber die Frau geht dann doch mit dem Macho ins Bett. Auch tieferes Empfinden, ein „maskulines Lebensgefühl“ und eine gestärkte Urkraft werden im Netz versprochen – was immer das ist.

„Willkommen zum Podcast „Männlichkeit leben“. Hier erfährst du wie du ein spannendes und aufregendes Leben als Mann führen kannst.“

Finger: Björn Thorsten Leimbach bietet Seminare in einer Mühle an der holländischen Grenze an – inklusive Schlafentzug, Schmerzen, kleineren Verletzungen und intensiven Gefühlszuständen, schreibt er. Hört sich gut an. Allerdings müsste ich eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben – so geheim ist das Training – und dürfte dir nichts darüber verraten.

Schielke: Und dann würden wir gar nichts erfahren! Hast Du noch jemanden gefunden, der nicht so geheimniskrämerisch ist?

Finger: Ja klar, Frank Fiess aus Berlin zum Beispiel. Seit 30 Jahren arbeitet der mit Männern. In seine eigene Trainerausbildung – er „behandelt“ Männer nicht, sondern holt mehr aus ihnen raus – hat er ein kleines Eigenheim investiert und sagt:

„Also viele Männer sind verunsichert, eben weil die alte Nummer nicht mehr funktioniert, aber sie dadurch offensichtlich Kontur, Strahlkraft, Charisma verlieren. Und die wollen sie wieder finden. Aber nicht: Ich pass mich den Frauen an, sondern als ein stolzer, würdevoller, ethisch integrer, das Leben bejahender Mann.“

Schielke: Wird da die Idee des gefühlsbetonten Softies kritisiert, der in den 68ern aufkam und das Männerbild vielleicht bis heute mitprägt?

Finger: Ja, so ein bisschen schon. Die Theorie besagt: Mit der Sesshaftwerdung haben die Männer alle Macht an sich gerissen, also: mein Land, meine Tiere und eben auch meine Partnerin. Die Frauen haben sich aber in einem mühevollen Kampf aus alten Rollenbildern befreit und die Gleichberechtigung erstritten. Männer hingegen haben ihre Position nie ähnlich aktiv hinterfragt und versuchen sich einfach so in die neue Zeit hinein zu mogeln. Das kann nicht gut gehen.

Finger: „Warum kommen die Männer zu dir?“ – Fiess: „Natürlich geht es immer auch um Sexualität. Was mache ich mit meinem Stress, meiner Performanceangst? Wie werde ich ein Liebhaber, der nicht nur im Schwanz geil ist und in der Birne gierig. Dann geht es immer um Selbstwert und Selbstbewusstsein. Und wir haben überall auch Männer, die begriffen haben: Wenn sie ihr Mannsein stärken, ganzheitlich, dann nutzt das ihren Frauen, ihren Kindern, ihren Firmen – allen.“

Schielke: Und was empfiehlt Frank Fiess? Redet der mit den Männern oder macht der richtige Übungen?

Finger: Beides. Ein Männertraining mit mehreren Teilnehmern geht bei Frank Fiess über vier Wochenenden und kostet 1500 Euro. Das ist noch relativ preiswert. Bei Frank müssen sich die Männer erst mal „zentrieren“.

Finger: „Also ich fange einfach an mit hinstellen?“ – Fiess: „Du legst die linke Hand auf die Spitze des Kopfes, genau. Fingerspitzen zum Himmel. Die andere Hand auf dein Becken, die Genitalien. Fingerspitzen zur Erde. Genauso. Jetzt schließ deine Augen und lass dich mit dem Atem verbinden. Dann finde einen Satz, der deine Liebe zu dir selbst ausdrückt. – ‚Ich habe mich extrem lieb. Ich habe mich extrem lieb.‘ – Du lachst. Der Mann existiert, bleib noch ein bisschen darin, auf vier Ebenen: Körper, Gefühl, Gedanken, Seele zentrieren.“

Finger: Ich weiß nicht, ob ich den Satz jemals wieder sagen werde, aber das Zentrieren tut mir gut. Einfach nur ein-und ausatmen. Das ist nicht schwer und tut gut.

Erlernen, wie man auf dicke Hose macht

Schielke: Klingt wie Yoga mit Männerfokus. Das stärkt das Selbstbewusstsein klar, aber mit neuer Rollenfindung oder Neudefinition von Männlichkeit hat das nicht so richtig was zu tun, finde ich. Anderseits ist es natürlich auch sympathisch, dass es bei den Trainings nicht darum geht, zu erlernen, wie man so richtig auf dicke Hose macht.

Finger: Das gibt es aber natürlich auch. Der Männlichkeitstrainer Orlando Owen bietet eine Initiierung für ganz Ambitionierte an.

„Der Alphamann, und das ist das Wesen des Alphamannes, ist, dass er meist – wenn nicht immer – in Führung geht in allen Bereichen seines Lebens, in jeder Interaktion mit anderen Menschen. Und die ist natürlich auch ganz speziell, wenn es darum geht, den ersten Schritt mit Frauen zu tun.“

Finger: Die Männer sollen sich ihre Macht wiederholen – von den Frauen. Da wird fast mit so einem Bedrohungsszenario gearbeitet. Bei dem Onlinetraining soll ich mir Podcasts anhören und Notizen machen. Allerdings finde ich die einstündigen Reden auf Dauer etwas ermüdend.

Schielke: „Sich die Macht wiederholen“, das klingt stark nach Ideen, die man auch von sogenannten Rettern der Männlichkeit hört. Vom kanadischen Psychotherapeuten und Medienstar Jordan Peterson beispielsweise, der sich wieder mehr Polarisierung zwischen den Geschlechtern wünscht.

Anderserseits ist seit #MeToo immer wieder auch die Rede von „toxischer Männlichkeit“. Gemeint sind da traditionelle Definitionen von Männlichkeit – ausgeprägtes Macht- und Leistungsdenken, die Vermeidung von Schwäche, Gewaltbereitschaft… Und das sei eben ungesund für andere und auch für Männer selbst. Widmen sich Männerkurse auch diesem Thema?

Finger: Männercoach John Aigner – auch aus Berlin – hat da einen gesamtheitlicheren Ansatz:

„Alte Rollenbilder taugen nicht mehr. Das heißt: Eine Vielfalt der Verhaltensweisen und der emotionalen Kapazität ist gefragt. Das ist eben nicht nur Hartwerden wie früher, sondern es geht darum, die gesamte menschliche Bandbreite an Emotionen auch abrufen zu können.“

Coaches wollen, dass Männer beim Training unter sich sind

Schielke: Bei diesen Männlichkeitstrainings denkt man irgendwie an Jünger, die an den Lippen ihres Meisters hängen. Ist da was dran?

Finger: Ja dachte ich auch erst, aber John Aigner sagt: Er will Männern lediglich beim Nachdenken helfen.

„Über den Spiegel Mann: Ein Mann sozialisiert sich am Mann, ein Junge orientiert sich an anderen Männern, um so mitzukriegen: Wie verhält man sich in unserer Gesellschaft. Insofern sind wir da bei einem klassischen Prinzip von Mentorenschaft, warum man zu einem Männercoach geht.“

Schielke: Und hatte John Aigner auch einen Tipp für dich?

Finger: Ja, John empfiehlt schreien.

Schielke: Ok!?

Aigner: „Wann hast du deinem Organ zum letzten Mal freien Lauf gelassen.“ – Finger: „Ewig her.“ – Aigner: „Und insofern kann mal ne Runde schreien gehen im Wald oder so dazu beitragen, dass man ein Gefühl von Freiheit fühlt. Das kann ganz einfach sein.“

Schielke: Und das lässt dann so eine Urkraft entstehen, von der vorhin schon mal die Rede war?

Finger: Und ich muss sagen, das Schreien hat wirklich gut getan. Mal so richtig Druck ablassen. Allerdings muss man aufpassen, dass einen keiner hört und für verrückt erklärt. Schreien ist ja sozial geächtet. Früher habe ich immer mal extrem laut gestöhnt, dass soll ja auch helfen. Meine Freundin hat da immer nur so kleine Seufzer rausbekommen. Laute Geräusche von sich zu geben, ist gar nicht so leicht.

Schielke: Aber schreien oder stöhnen tut auch Frauen gut, du sagst es ja gerade. Warum wird das Ganze in einem Männlichkeitstraining eingebettet und läuft nicht unter generellem Training für jeden Mann und jede Frau?

Finger: Na, John Aigner findet, dass es sowas von einer Art Männerabend haben soll, wo einfach drauf losgequatscht wird. Ich darf ja auch nicht aufn Frauenabend. Frank Fiess will ebenfalls keine Frauen dabei haben, weil seiner Meinung nach gleich bei den Männern Imponiergehabe einsetzt. Ein konzentrierter Austausch sei dann nicht möglich.

Nicht immer volle Power, sondern dosieren

Schielke: Beim Männertraining soll also auch so eine Art neue Brüderlichkeit entstehen?

Finger: Ja, auf jeden Fall. Männer legen untereinander gern ein Konkurrenzverhalten an den Tag und lehnen gegenseitige Nähe ab, weil das für viele sexuell konnotiert ist. Aigner lässt Männer deshalb gern mal zusammen duschen – als Rollenspiel, um sich den eigenen Empfindungen zu stellen. Mir empfiehlt er zum Anfang eine längere Umarmung.

Finger: „Also Augen zu?“ – Aigner: „Eigentlich wäre es ganz gut, wenn wir still werden und du kannst ruhig Augenkontakt mit mir halten und mitkriegen, wie ist das jetzt. … Ich finde es interessant, dass nach dieser Umarmung dein Atem ruhiger geworden ist, dass dein Herzschlag ruhiger geworden ist. Und dass sich in Deinem Gesicht Entspannung eingestellt hat.“ – Finger: „Man spürt Wärme, man kriegt mit, wie ein anderer Mensch atmet. Allein die Atemzüge, aber auch wie sich der Körper bewegt beim Atmen. Das ist ja ne ganze Erfahrungspalette.“

Finger: Die Umarmung hat übrigens 20 Sekunden gedauert.

Schielke: Also ist die neue Männlichkeit doch achtsam und gefühlsbetont?

Finger: Auch. Am besten aber in Paarung mit subtiler Stärke, Entscheidungsfreude und Führungsqualität, die sie eben auch Frauen zugestehen. Also nicht immer volle Power, sondern dosieren. Männer sollen Strukturen schaffen, Verantwortung tragen und wissen, wo es langgeht. Ja. Aber das müssen sie nicht ständig raushängen lassen. Einfach mal Situationen erspüren und sich anpassen – im Job und in Beziehungen, findet Frank Fiess.

„Also die ganze Gefühls-, in Anstrichen, -arbeit nicht nur den Frauen zu überlassen, sondern zu sehen, wie kann ich auch als Mann, ohne mich zu verlieren, auch ein gutes Gegenüber sein in einem Gespräch in dem es um Gefühle und Partnerschaft geht.“

Schielke: Und Dein Fazit?

Finger: Ob ich jetzt ständig Männer umarme, weiß ich nicht, aber so ein Männertraining könnte schon interessant sein. Gerade weil mir dann doch ein paar Felder eingefallen sind, an denen man arbeiten könnte: Warum streitet man sich in Partnerschaften oft über die gleichen Dinge? Oder warum guckt man abends gern Filme im Bett nebeneinander statt sich miteinander zu amüsieren?

Schielke: Und: Männertraining ja oder nein?

Finger: Schwere Frage. Mir ist das etwas teuer. Ich kenne eigentlich nur Frauen, die für ihr privates oder berufliches Vorwärtskommen tief in die eigene Tasche greifen. Eine Überlegung ist es auf jeden Fall wert. Vielleicht kann ich ja erst mal mit einem niedrigschwelligen Angebot anfangen: John Aigner bietet auch einen Männerurlaub an – in Thailand. Das hört sich ganz gut an.

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